Die Chronik über das Anwesen meiner Eltern Johannes und Luzie
Neumann geb. Adam in Groß-Peterwitz Kreis. Ratibor O/S , Ratiborerstr. 305

neumann1911neumann

Am 22. Oktober 1912 erwarb mein Vater, Brau- und Malzmeister Johannes
Neumann aus [[Oberglogau]] Krs. Neustadt O/S, das Anwesen in Groß-Peterwitz
vom letzten Eigentümer, dem Brau- und Malzmeister Wilhelm Reich käuflich.
Dieser ließ noch im Jahre 1903 das alte Wohn- und Gasthaus abreißen, um
ein neues an gleicher Stelle errichten, so wie es heute noch zu sehen ist.
Auf dem Gesamtanwesen in der Größe von 1,9 Hektar befanden sich zu
damaliger Zeit, das Wohn- und Gasthaus, das Brauhaus mit Malzfabrik, ein Eis
und ein Gärkeller, eine Kegelbahn, eine Schnapsbrennerei, eine Scheune,
Stallungen sowie ein Obst- und Gemüsegarten, und Ackerland. Mein Vater, der
sich nur noch auf die Herstellung von [[Braumalz]], zu den damalig hergestellten
Biersorten spezialisierte, ließ all das, was er nicht mehr benötigte, wie das
Brauhaus, den Eis- und Gärkeller, die Kegelbahn und die Schnapsbrennerei
abreißen und einebnen, um die Malzfabrik so zu vergrößern, damit er in einer
Kampagne ( Hauptbetriebszeit ), die von der Erntezeit der Gerste bis Ende April
des darauf folgenden Jahres dauerte, bis zu circa 1800 Zentner Gerste zu
Braugerste verar­beiten und herstellen konnte.
Nachdem am Anfang des Jahres 1912 der Umbau und die Vergrößerung beendet
war, heiratete er meine Mutter, die Tochter des Erbrichtereibesitzers Engelbert Adam,
Luzie aus Knispel, Krs. [[Leobschütz]]. Im Herbst des gleichen Jahres begann
die erste Verarbeitung der Gerste zu [[Braumalz]]. Die Gerste dafür in dem und in den
folgenden Jahren kaufte mein Vater von den Bauern aus Groß-Peterwitz und den
Bauern aus den umlie­genden Ortschaften, und den Domänen und Gutshöfen. Wenn
noch Gerste nötig war kaufte er diese bei den Getreidehändlern in [[Ratibor]] und
[[Katscher]]. Wochen vor der ersten Kampagne stellte mein Vater 8 Arbeiter ein, unter
ihnen einen Mälzergesellen, der ihn fachlich in der Zeit des 1. Weltkrieges vertrat, weil
mein Vater Soldat werden musste. Nach der ersten Herstellung von Braumalz 1913 –
schloss er Lieferverträge mit folgenden Brauereien: Weberbauer in Leobschütz,
Schloss­bräu in Ratibor, Scobel und Kippke in Breslau und mit Schultheiß-Patzenhofer
in Hindenburg ab. Als mein Vater im Dezember 1935 verstarb, übernahm meine
Mutter das gesamte Anwesen, wobei ihr mein Bruder Johannes bis zur Einberufung
zum Reichsarbeitsdienst im Jahre 1938 behilflich war. Bruder Willibald der 1937 aus
der Wehrmacht entlassen wurde, übernahm die Gastwirtschaft. Bruder Karl, der älteste
war zu dem Zeitpunkt bei der Wehrmacht. Bruder Johannes musste nach dem
Reichsarbeitsdienst gleich den grauen Rock anziehen. Da zu damaligen Zeiten das
Gesetz vorschrieb, dass kein Betrieb ohne Fachkraft geleitet werden durfte stellte meine
Mutter gleich nach dem Tod vom Vater einen Malzmeister ein, der die Malzfabrik bis Mitte
1943 leitete, weil von da an die deutsche Wehrmacht die Malzfabrik beschlagnahmte
und diese als Verpflegungslager, bis zur Besatzung Groß-Peterwitz durch die Rote Armee,
benötigte. Nachdem Bruder Willibald im Jahre 1937 die Gaststätte übernahm,
leite­ten in seinem Namen Tante Anna ( Schwester meines Vaters ) und meine Schwester
Margarete diese bis Kriegsende. Seit 1937 wurde nur noch ein Malzliefervertrag mit
der Brauerei Schultheiß in [[Hindenburg]] abgeschlos­sen und nur von da das Bier bezogen.
Ich selber erlernte den Beruf des Mälzers, weil keiner meiner 3 älteren Brüder in die
Fußstapfen des Vaters treten wollten. So sollte ich dann nach dem Krieg die Malzfabrik
übernehmen. Das Ende des 2. Weltkrieges und das Schicksal wollte es leider anders.
Meine Brüder Karl und Willibald kamen nicht mehr aus dem Krieg zurück, Karl verstarb
in einem russischen Gefangenenlager, Willibald fiel kurz vor Kriegsende im[[ Elsass]].
Johannes überlebte als schwer verwunderter. Ich selber geriet im Mai 1944 auf
der [[Krim]] in die russische Gefangenschaft, woraus ich Ende April 1948 entlassen wurde.
Wie ich nach meiner Entlassung aus russischer Gefangenschaft von meiner Mutter
erfahren habe, beschlagnahmte der polnische Staat unser gesamtes Anwesen. Für uns,
die nach Kriegsende noch lebenden der Familie Neumann, meine Mutter, mein Bruder
Johannes, meine Schwester Margarete und für mich blieb nur die Erinnerung.

Zum Schluss der Chronik sei hier noch zu erwähnen, dass in der Nacht vom 27. zum
28. Juni 1929 die Malzfabrik im Auftrag des damaligen Konkurrenten meines Vaters
von 2 seiner Beschäftigten angezündet wurde. Zu diesem Zeitpunkt lagerten 5.000
Zentner abrufbereites Braumalz, das total mit verbrannte. Der Gesamtschaden wurde von
vereidigten Brand­schätzern auf 85.000,00 [[Reichsmark]] festgelegt. Einer der Brandleger
hat im Jahre 1938 am Totenbett meinem Bruder Willibald eingestanden, einer der diese
Schandtat mit begangen zu haben. Der zweite Täter verschwand spurlos. Eduard
Wachsmann, der Konkurrent verschwand in der Zeit des Naziregime.

Des Öfteren wurde ich als jüngster lebender der Familie Neumann von Verwandten,
Freunden, Bekannten und von meinen Kindern gebeten, endlich einmal den gesamten
Ablauf über das Anwesen in Groß-Peterwitz zu Papier zu bringen. Nach langer Überlegung
bin ich es doch meinen lieben Eltern schuldig. Eigene Erinnerungen und aus schriftlichen
und mündlichen Darstellungen konnte ich dieses hier schreiben.

Wie vor 100 Jahren, geht man heute noch gern zu "Neumann" ein Bier trinken, auch
wenn kein Neumann mehr hinter der Theke steht. Erinnerungen bleiben gern wach.

                                                            "1909 - 2009 "

Zu Papier gebracht am 20.05.2009 in [[Heilbronn]].

Hubertus Neumann